Es ist nicht nur die traumhaft schöne Küste, welche die Great Ocean Road so besonders macht. Einen Katzensprung von der Küste warten Nationalparks voller Koalas, bunter Papageien und uralten Regenwäldern. Die Meerblicke sind die Krönung dieser einmaligen Tier- und Pflanzenwelt.
Furchtlos hüpft das Känguru auf mich zu und vergräbt seine weiche Schnauze in meiner Hand. Begeisternd mampfend lässt es zu, dass ich sein struppig-weiches Fell streichele. Außerdem machen wir das obligatorische Foto: „Niemand verlässt Australien ohne ein Foto mit einem Känguru“, erklärt Guide Ronnie.
Ich bin Teil einer Gruppe von zehn Personen, die einen Tagesausflug auf der Great Ocean Road ab Melbourne gebucht haben. Von einer älteren Dame mit ihrem Sohn bis hin zu einer Gruppe junger
Backpackerinnen sind alle Altersklassen vertreten.
Bevor wir zur angeblich schönsten Küstenstraße der Welt aufbrechen, trinken wir Kaffee auf einem kleinen Bauernhof. Hier hüpfen aber nicht nur verschiedene Kängurus umher, auch ein paar Emus
empfangen uns lautstark kreischend. Auch sie dürfen wir füttern: Anders als das sanftmütige Känguru holen sie aber richtig aus, bevor sie in unsere Handflächen hacken.
Unser Kaffee ist noch nicht mal kalt, und wir waren schon mit zwei von Australiens Nationaltieren zusammen. Der Tag verheißt Gutes. Mit heilen, aber leicht geröteten Handflächen brechen wir auf zur Great Ocean Road.
Vor dem eigentlichen Ozean kommt aber erstmal ein Meer aus Grün. Unser Van schlängelt sich auf steilen Serpentinen durch einen dichten Wald. Ronnie weist uns sanft auf die Bewohner des Waldes hin: „KOALA“, posaunt er alle paar Meter so lautstark, dass der ein oder andere sich erschrocken den Kopf an der Decke des Vans anhaut. Aber natürlich freuen wir uns über sein geschultes Auge – den Großteil der Tiere hätten wir ohne ihn wohl nicht entdeckt.
Am Ende des Serpentinenwegs steigen wir aus. Der unverwechselbare Geruch von frischem Eukalyptus schlägt uns entgegen. Es riecht, als hingen Dutzende der bekannten Schweizer Bonbons in den Bäumen. Nur ist der Duft eben hundertmal aromatischer, würziger, australischer.
„Sollte sich ein Koala wirklich mal herunterbequemen“ – beginnt Ronnie und wirft jedem von uns einen tiefen, langen Blick zu – „lasst ihn in Ruhe. Glaubt mir, er will nicht gestreichelt werden. Und ihr wollt seine Krallen nicht kennenlernen.“
Zugegeben – ein Koala wirkt nicht wie das klassische Raubtier. Er sieht einfach zu niedlich aus mit seiner Knollennase und dem pelzigen Gesicht. Sein Blick und seine Körperhaltung sprechen meist für einen Zustand völliger Entspannung. Über uns untersucht ein Tier minutenlang voller Hingabe das Fell auf seiner Hüfte, was ihn nicht gerade gefährlicher wirken lässt. Aber: Er würde diese fingerlangen Krallen ohne Zögern zur Verteidigung einsetzen, sollte er sich bedrängt fühlen.
Wir machen einen kurzen Spaziergang durch den duftenden Wald und entdecken noch mehr der Tiere, die in den Baumkronen vor sich hindösen.
Danach kommt: das Meer. Unendlich weit und blau erstreckt der Ozean vor uns. Die weißen Schaumkronen der Wellen umspülen die schwarzen Steine auf dem Sandstrand. Dahinter liegen sanft abfallende, sattgrüne Hügel. Es ist ein traumhaft schöner Ausblick.
Nach einem kurzen Fotostopp biegen wir in eine Kurve abseits der Route ein. Das Meer gerät wieder außer Sichtweite – dafür springen uns schon von weitem bunte Königspapageien ins Auge. Sie tummeln sich um einen Futterplatz in einem Eukalyptusbaum und hopsen geschäftig von Ast zu Ast.
Wir beobachten die Tiere eine Weile und fahren dann weiter in einen Regenwald des Great Otway Nationalpark. „Dieser Wald ist nicht nur einer der ältesten der Welt, er beherbergt auch mit die höchsten Bäume “, erklärt Ronnie. Außerdem birgt der Wald einige Geheimnisse und Schätze: „Hier wachsen einige Pflanzen mit großer Heilkraft, die in der Aboriginie-Medizin noch immer verwendet werden.“ Die uralten Baumriesen wirken so erhaben und weise, dass wir uns gut vorstellen können, dass hier Medizin wächst. Alles wirkt ein wenig mystisch: Das einfallende Licht bringt die Farne zum Leuchten. Und hin und wieder klettern wir über einen umgestürzten, verwitterten Baumstamm.
Nach unserem Spaziergang geht es schließlich zum Endpunkt dieser Tour: den Port Campbell Nationalpark. Seeluft schlägt uns entgegen, als wir Richtung Küste laufen. Schließlich sehen wir sie: Die Felstürme, die über die Küste zu wachen scheinen und sich stetig mit dem Lauf der Wellen verändern. Der Name „12 Apostel“ ist jedoch mehr Marketing als Realität: „Im Laufe der Zeit wurden einige der Türme buchstäblich weggespült, sodass heute nur noch acht übrig sind“, so Ronnie.
Wir steigen die Stufen zum Strand herab und laufen im Schatten der Türme die Küste auf und ab. Sanft glucksend rollen Wellen in den Strand und umspülen unsere nackten Füße. Die Tiere, die einmaligen Meerblicke, die dichten Wälder – es ist diese Vielfalt, die die Great Ocean Road mit zur schönsten Küstenstraße der Welt macht.