Die USA haben ihren heutigen Wohlstand nur dank Migration und rechtsstaatlicher Prinzipien erreicht. Umso trauriger ist es, dass der aktuelle Präsident mit seiner Haltung diese Bemühungen konterkariert. Ein Besuch im Washington unter Trump.
Vor dem berühmtesten klassizistischen Haus der Welt und seiner schneeweißen Kolonnade herrscht buntes Treiben. Musiker spielen, Touristen fahren auf E-Rollern am Weißen Haus entlang, Schulklassen stiefeln zum nächsten Museum. Mittendrin steht ein Mann, der provokant ein Schild in die Luft hält. „Build the wall“, schreit das Schild. Der Anblick will einfach nicht so recht ins Bild passen.
Viele der Sehenswürdigkeiten in Washington liegen fußläufig nah beieinander. Da ist die Thomas Jefferson Bibliothek, das Washington Monument, das Lincoln Memorial. Bei einem Spaziergang zu den Sehenswürdigkeiten und Museen der Hauptstadt kommt man zwangsläufig am Weißen Haus und am Supreme Court vorbei.
Heute, an einem wunderschönen, sonnigen Tag, ist die Stimmung aufgeheizt. Ein Mann hält eine Kartonage in die Luft. Sie zeigt Trump mit Schnuller. Der Mann bittet Passanten um Geld. Gleichzeitig spricht er darüber, was für ein schlechter Präsident Trump für die USA sei. Innerhalb weniger Minuten bildet sich eine Menschentraube um den Mann. Unterstützung für ihn? Fehlanzeige. Zwei junge Männer in Anzügen fangen an, ihn wüst zu beschimpfen. Und fahren anschließend auf ihren Rollern weiter zu einem Akkordeonspieler. Sie werfen mehrere Dollarscheine in den Hut vor ihm. „Siehst du das?“, rufen sie dem Trump-Gegner zu. „Das hätte für dich sein können. Aber du stinkst mir zu sehr.“
Der angesprochene Mann weiß offensichtlich nicht, wie er angesichts von so viel Wut und Herablassung reagieren soll. „Trump ist ein Idiot“, brüllt er quer über den belebten Platz. „Du bist ein Idiot“, schallt es zurück.
Die Szene vor dem Weißen Haus könnte am nächsten Tag umgekehrt stattfinden – also mit einer großen Gruppe von Trump-Gegnern im Vergleich zu einem Trump-Anhänger. Aber heute ist es nun mal nicht so. Heute ist – in unmittelbarer Nähe von Supreme Court, Capitol und einer umfassenden Sammlung von Büchern – der Platz geprägt von Feindseligkeit und einer hohen Anzahl an Menschen, die hinter Trump und seiner fragwürdigen Politik stehen. Es ist der traurigste Tag meiner USA-Reise.