Delfine gehören zu den sozialsten und intelligentesten Tieren auf der Welt. Eine Begegnung mit ihnen – in freier Wildbahn, in ihrem natürlichen Lebensraum – ist ein unvergessliches Erlebnis. Vor der Küste Adelaides zeigt ein Anbieter, wie Tiere und Tourismus respektvoll zusammenkommen können.
Nach Melbourne und der Great Ocean Road wartet
Adelaide – die Hauptstadt South Australias – auf mich. Die Delfine interessieren mich hier am meisten. Und so buche ich für den nächsten Tag direkt
eine Schwimmtour mit den Tieren.
Am frühen Morgen steige ich in die Straßenbahn Richtung Downtown. Der Besitzer des Hostels hat mir alles genau erklärt: „Du kannst es nicht verfehlen. Adelaide ist eigentlich mehr ein Dorf als
eine Stadt.“ Tatsächlich sind es heute nur wenige Stationen, die mich vom Hafen und vom offenen Meer trennen – und damit von den zahlreichen Delfinschulen, die sich hier vor der Küste tummeln.
Die Sonne ist erst seit Kurzem auf. Eine Handvoll Menschen bewegt sich im trüben Licht, noch liegt aber eine schläfrige Stille über dem Hafen. Sie wird kurz von dem Bimmeln der Straßenbahn unterbrochen, dann legt sie sich wieder.
Der Katamaran liegt abseits der Bootsstege an der Hafenwand. Nach und nach trudeln die Passagiere ein, bis wir schließlich vollständig sind: Knapp zwanzig Menschen werden heute auf das offene Meer fahren. Ein Teil davon – darunter ich – wird in das Wasser steigen, um mit den Delfinen zu schwimmen.
Das Röhren des Motors klingt laut in der morgendlichen Stille. Wir legen ab und lassen den Hafen hinter uns. Vor uns liegt das offene Meer und der Horizont.
„Wir werden jetzt die Delfinschulen suchen“, erklärt uns der Skipper des Bootes. „Ihr könnt dann zu ihnen ins Wasser gehen – wenn sie Lust auf uns haben.“
Wir verstehen schnell, was er mit dieser Präzision meint. Denn nur kurze Zeit später sehen wir die ersten grauen Finnen aus dem Wasser ragen – eine Gruppe Großer Tümmler nähert sich uns. Dann
scheinen sie es sich anders zu überlegen.
Sie tauchen unter und sind schneller weg, als wir blinzeln können. Ein enttäuschtes Raunen geht über das Boot. „Das passiert“, sagt der Skipper ungerührt. „Wir sind fast jeden Tag hier draußen.
Manchmal haben sie einfach kein Interesse an uns.“
Die nächste Schule von Tümmlern schwimmt so nah an den Heck des Bootes, dass der Skipper sicher ist, dass sie neugierig auf uns sind. „Ihr könnt jetzt ins Wasser – aber ihr müsst vorsichtig reingehen. Letzte Woche ist einer einem Delfin fast auf den Kopf gesprungen. Diese Schule haben wir wochenlang nicht mehr in unserer Nähe gesehen. Ihr dürft die Tiere nicht anfassen, weil eure Bakterien sie krank machen könnten. Und haltet euch immer am Seil fest.“
Wir steigen vom Heck aus ins Wasser und hangeln uns an dem Seil entlang, das der Skipper ausgeworfen hat. Ich merke direkt, wie sinnvoll seine Regeln sind: Als ich versehentlich das Seil loslasse, merke ich direkt, wie mich die Strömung aufs offene Meer zu ziehen droht.
Wir sehen die Finnen der Tümmler dicht bei uns. Nur das Seil trennt uns von den grauen Leibern. Als wir gerade untertauchen wollen, stippt auf einmal ein anderer grauer Kopf mit langen Schnurrhaaren aus dem Wasser. Für den Bruchteil einer Sekunde wirft die Robbe einen Blick auf uns – dann wirft sie sich ins Wasser und verschwindet so schnell, wie sie gekommen ist.
„Das war ein kurzer Besuch, aber die Delfine sind noch da“, ruft der Skipper vom Boot aus. „Ihr müsst die Köpfe unter Wasser tauchen!“ Wir waren alle so überrascht von der Robbe, dass wir wie gebannt auf die Wasseroberfläche geschaut haben. Dabei sehen wir dort „nur“ noch die Finnen – der Rest der Delfinkörper ist schließlich unter Wasser.
Ich tauche unter und sauge die Luft durch meinen Schnorchel ein. Kurz sehe ich nur Sonnenstrahlen, die die Oberfläche durchbrechen und im grünblauen Wasser tanzen. Auf einmal erscheinen darin die Delfine – erst verschwommen, als würde man sie durch ein verstaubtes Objektiv betrachten. Spielerisch schlagen sie mit der Flosse und bewegen ihre langen Leiber direkt auf die Gruppe zu.
Je näher sie kommen, desto deutlicher sehen wir sie. Anmutig tauchen sie neben uns in die Tiefe, dabei beobachten sie uns durchgehend. Ihr Quieken und Schnattern dringt durch das Wasser: Sie unterhalten sich über uns. Was sie wohl sagen? Vielleicht lachen sie uns auch aus. Wenn ja, wäre es verständlich: Wir müssen ziemlich bescheuert aussehen, wie wir in unseren Neoprenanzügen prustend an dem Seil hängen, während sie mühelos durch das Wasser gleiten.
Viel zu schnell vergeht diese einmalige Begegnung. Nachdem wir uns gegenseitig ausgiebig beobachtet haben, tauchen die Delfine immer weiter unter – bis sie schließlich verschwimmen und ganz verschwinden.
Als ich mich zurück auf das Heck klettere, berührt mein Fuß kurz eine Art Generator. Dieser verpasst mir einen kleinen Stromschlag: Er sendet elektrische Wellen aus, die ungewünschte Besucher abschrecken sollen. Die Südküste Australiens ist extrem artenreich – und somit auch Heimat von Haien. „Die Delfine stört das Geräusch nicht. Für Haie aber klingt dieses elektrische Surren, als würde ihnen jemand direkt ins Ohr brüllen. Auch, wenn Haie sich sowieso von Booten fernhalten: Dieser Generator sichert uns zusätzlich ab“, erklärt der Skipper. Ich gebe zu: Ich finde die Vorstellung mehr als beruhigend, dass sie doppelte Umwege um das Boot machen.
Der Skipper geht dem Drängen einiger Passagiere, die Delfine zu „verfolgen“, nicht nach. Es hätte sowieso nichts gebracht. Es ist, wie er es am Anfang gesagt an:
Die Tiere kommen freiwillig, wenn sie Lust haben. Es war ihr Wille und nicht unser Wunsch, der die Begegnung ermöglicht hat. Das ganze Konzept dieser Tour gefällt mir sehr gut: Vom Katamaran, der
sicher umweltfreundlicher ist als andere Boote, über die kleine Gruppe und den respektvollen Umgang mit den Tieren. Sie kommen oder eben nicht –
anders als in Delfinarien, in denen sie die Fähigkeit zum Jagen verlieren und so komplett vom Menschen abhängen. Hier haben sie die Wahl. Und wenn sie da sind, werden
sie trotzdem in Ruhe gelassen und können jederzeit verschwinden. Da man sich am Seil festhalten muss, kann es eigentlich nicht passieren, dass jemand sie anfasst.
Wenn man schon Delfine erleben will, sollte man so eine kleine Tour zu wilden Tieren mitmachen. Bassins voller gelangweilter, depressiver Tiere haben mit der Begegnung mit freien Delfinen im
offenen Meer nichts zu tun. Aber natürlich müssen auch solche Touren das richtige Maß behalten: Wenn die Ausflugsboote aus dem Boden sprießen würden wie am Great Barrier Reef, würden die Tiere wohl bald weiterziehen. In Adelaide gibt es
derzeit einen Anbieter, der eine solche Tour realisiert. Und das reicht doch auch.