Northern Territory

Das Red Centre

Uluru, „Valley of the Winds“ und King's Canyon

Im Outback Australiens – und komplett isoliert – liegt das Wüstenstädtchen Alice Springs. Hier herrscht eine einzigartige Stimmung: sowohl morgens am Abgrund von Australiens tiefster Schlucht als auch abends, wenn heulende Wüstenhunde auf den Abend am Lagerfeuer einstimmen.

Ankunft in Alice

Als ich abends in Alice Springs ankomme, umhüllt mich warme, trockene Wüstenluft. Es ist, als habe jemand einen riesigen Föhn auf mich gerichtet.

Die Hauptstraße sieht aus wie das Set eines Cowboy-Films: Ein holzverkleideter Pub reiht sich an den nächsten. Über den staubigen Veranden schwingen Schilder, die die Namen der Pubs verkünden: Boo’s Saloon, Monte’s Lounge oder auch The Rock Bar. Fast fühlt es sich an, als sei man im Wilden Westen gelandet. Als dann aber ein Kakadu auf der Brüstung einer Veranda landet und ungeniert seinen Schnabel in einen der Bierkrüge halt, bleibt kein Zweifel offen: Das ist Australien.

Die Geschichte der Wüstenstadt

Meinen ersten Abend im Outback verbringe ich auf dem Anzac Hill, einem Aussichtspunkt über der Stadt. Von hier aus habe ich einen Rundumblick auf die Bergketten, die die kleine Wüstenstadt einkesseln. Das riesige Christenkreuz, das über Alice Springs thront, wirkt fehl am Platz.
Alice Springs entstand, als hier im 19. Jahrhundert eine Telegrafenstation errichtet wurde. Jahrzehnte später erreichte die Eisenbahn die Wüste und zog mehr europäische Siedler an. Mit der Besiedlung begannen schwere Zeiten für die Aboriginie-Stämme, die seit Jahrtausenden ungestört hier lebten: Die Siedler raubten ihr Land, entweihten heilige Stätten, stohlen ihre Kinder*.
Auch, wenn sich heutzutage mehr und mehr Menschen für die Rechte der benachteiligten Ureinwohner einsetzen: Diese Verbrechen haben tiefe Wunden hinterlassen, die noch nicht verheilt sind. Besonders in Alice Springs spiegelt sich das in einer hohen Kriminalitätsrate unter jugendlichen Aboriginies wider. Als Empfehlung gilt, vor allem abends nicht allein rauszugehen und selbst für kurze Strecken ein Taxi zu nehmen. 
Leider ist diese Empfehlung mehr als ratsam: Als ich mich auf den Weg zurück zum Hostel mache, bewerfen mich einige Jugendliche mit Steinen. Im Hostel berichten andere Backpacker von ähnlichen Erfahrungen. Es bleibt zu hoffen, dass die Situation sich in den nächsten Jahren verbessert.

 

*Filmempfehlung zu diesem Thema: Rabbit-Proof Fence von Phillip Noyce.

Die Tiere des Outbacks - unterwegs im Desert Park

Am nächsten Tag steht der Desert Park für mich auf dem Programm: Bevor ich auf eine dreitägige Campingtour durch das Red Centre aufbreche, möchte ich noch mehr über die Tierwelt der Wüste erfahren. Der Desert Park bietet die geballte Tierwelt des Outbacks: Reglose Schlangen liegen zwischen Stein und Stroh. Unendlich viele Eidechsenarten huschen in ihren Terrarien hin und her. Eine reglose Schlange ist kaum von dem sandfarbenen Untergrund in ihrem Terrarium zu unterscheiden.

Highlight unter den Reptilien: Der „gehörnte Teufel“, der wie eine Spielzeugausgabe eines Drachens aussieht. Ein altmodisches, mechanisches Spielzeug zum Aufziehen – das sich so stockend und langsam fortbewegt, als wäre die Feder im Inneren am Anschlag.

Draußen machen die riesigen, roten Kängurus einen imposanten Eindruck. Auch, wenn sie im Schatten entspannen und ihre einzige Bewegung ihre zuckenden Ohren sind: Diese Muskelpakete kann man sich sehr gut in Bewegung und beim Boxen vorstellen. Am Ende des Tages schaue ich der Vogelshow zu. Besonders beeindruckt mich die wunderschöne Eule, die mitten in der Wüste an eine Schneeeule erinnert.

Die Aboriginies und ihr Uluru

Am nächsten Morgen geht es dann los: Ausgerüstet mit Fliegennetz und Schlafsack steige ich in den Van von Mia, unserem Guide für die nächsten drei Tage. Nachdem wir die anderen Teilnehmer der Tour – hauptsächlich junge BackpackerInnen – abgeholt haben, brechen wir auf zu unserem ersten Camp. Nach dem Mittagessen fahren wir Richtung Uluru. Kilometerlang ist rechts und links der Straße nicht zu sehen – außer staubtrockenes Grasland und ein paar knorrige Bäume. Dann, ganz plötzlich, scheint am Horizont ein Felsen aus der Erde zu wachsen: Je näher wir kommen, desto größer wird er. Schließlich sind wir direkt davor: Ein riesiger, roter Felsen mitten im Nirgendwo, als wäre hier ein Stück vom Mars in die Erde eingeschlagen.

Mia nimmt uns mit auf den „Basewalk“, der einmal rund um den Uluru führt. Bis vor kurzem war es erlaubt, den Uluru zu besteigen. Die Zahl der Unfälle und Toten war jedoch sehr hoch: Die Touristen unterschätzten die Hitze und Steilheit des Weges oder rutschten auf dem unebenen Pfad ab.

Heute darf man den Uluru noch noch umrunden, auch aus Respekt gegenüber den Aboroginies, für die der Uluru ein Heiligtum ist. Tourismus begann in den Fünfzigern offiziell am Uluru – damals war der Name „Ayer’s Rock“ noch verbreiteter, nach dem damaligen australischen Premierminister. Erst in Achtzigern wurde er den Aboriginies offiziell zurückgegeben. Die Aboriginies verpachteteten ihn daraufhin für 99 Jahre an die australische Regierung.

„Ich werde euch jetzt erst erklären, wie der Uluru aus geologischer Sicht entstanden ist“, sagt Mia. „Später hören wir noch eine Aboriginie-Legende.“ Bevor sie anfängt, hustet sie noch rasch eine Fliege aus. Wir Touristen sind alle mit Netzen gegen die Schwärme von Fliegen ausgerüstet, die tagsüber pausenlos um unseren Kopf schwirren – die Guides tragen keine, „aus Stolz“.

Fliegennetz und stolz drauf.
Fliegennetz und stolz drauf.

„Alles begann mit dem Amadeusbecken – also einer Vertiefung im Gelände. In dieses Becken wurden Ablagerungen von umliegenden Gesteinen gespült. Das Meer, das damals noch in diesem Becken war, verdunstete nach und nach. Dadurch wurden die lockeren Steinmassen zu festem Sandstein. Als die Erde sich bewegte, wurde dieser Stein fast senkreicht aufgewölbt.“ Der Uluru ist kein einzelner Felsen, auch wenn er von außen so wirkt. Wie bei einem steinernen Eisberg sehen wir nur seine Spitze: „Er ist unterirdisch mit dem Kata-Tjuta-Gebirge verbunden, in dem wir morgen wandern.“

Wir setzen den Base-Walk fort durchs Grasland fort. Das Bild erinnert an die afrikanische Savanne und ihrem Königsfelsen. In dem roten Felsriesen sehen wir tiefe Rillen: Spuren alter Wasserfälle, die sich in das Gestein gegraben haben. Heute, bei 40 Grad flirrender Hitze und keiner Wolke am Himmel, scheint es unwahrscheinlich, dass es jemals regnet in der Wüste. Aber die vielen leuchtend sattgrünen Bäume erinnern daran, wie hier im Winter die Wassermassen monsunartig auf die Erde prasseln.

Wir halten an einer Höhle. „In diesem Gebiet leben seit mehr als 10.000 Jahren die Anangu, ein Stamm der Aboriginies. Um den Uluru ranken sich unzählige ihrer Traumzeit-Geschichten, also Mythen“, sagt Mia. „Eine davon besagt, dass die Schöpferin der Welt – die Regenbogenschlange - gemeinsam mit den Ahnen über das leere Land wanderte. Indem sie den Dingen ihren Namen gab, nahmen diese Gestalt an. Die Ahnen kehrten nach der Schöpfung wieder in der Erde zurück – aber sie blieben als als Geister und Totems gegenwärtig. Auch die Regenbogenschlange verschwand nicht. Sie rollte sich zusammen und verwandelte sich in den Uluru.“ Als wir in die Höhle steigen, dringen wir tiefer vor in die Zeit der Mythen und Sagen: Ihre Wände sind über und über geschmückt mit uralten Höhlenmalereien. Sie zeugen von der einzigartigen, jahrtausendealten Kultur der Aboriginies.

Höhlenmalerei im Uluru
Höhlenmalerei im Uluru

Abends schauen wir zu, wie die Sonne hinter dem Felsen versinkt. Innerhalb von Minuten wechselt seine Farbe von seinem warmen Rot zu einem schlammigen Grauton.

Wir bestaunen dieses Spektakel zusammen mit hundert anderen Touristen: Die Aboriginies scheinen gar keine andere Wahl zu haben, als den Massentourismus um ihr Heiligtum zu akzeptieren. Aber immerhin entwickelt sich ein mehr und mehr respektvoller Umgang mit dem Felsen. Die Aboriginies werden auch in die touristische Arbeit integriert: Das Cultural Centre über den Uluru wird vom Anangu-Stamm betrieben.

Wanderung durch das „Valley of the winds“

In wenigen Stunden erleben wir den Farbenwechsel umgekehrt: Vor der Wanderung schauen wir uns den Sonnenaufgang an. Davor geht es aber erstmal ins Camp: Wir kriechen in unsere Swags, eine Art riesiger Schlafsack mit dicker Matte. Mitten im Outback schlafen wir im Freien – unter der wärmenden Decke der Wüstenluft, umgeben von heulenden Dingos und unter Abermillionen von funkelnden Sternen.

Am nächsten Morgen werfen mir meine Schlafnachbarn einen eigenartigen Blick zu. „Hattest du heute Morgen eigentlich keine Angst?“ Verwirrt schaue ich sie an. Ich wüsste nicht, vor was. „Du wurdest buchstäblich von einem Dingo geweckt. Er hat genau dort geschnuppert, wo dein Kopf lag. Du hast ein bisschen genervt ausgesehen, bist dann aber gleich rein zum Frühstücken.“ Ich kann kaum glauben, dass ich in Gedanken so sehr beim ersten Kaffee war, dass ich den Dingo nicht wahrgenommen habe. Auch, wenn es noch dunkel war. Aber die Pfotenabdrücke direkt neben meinem Swag beweisen es: Hier war heute Morgen ein Dingo. Mia hatte uns gewarnt, dass sie dem Lager auf Futtersuche nah kommen könnten. Wir sollten sie aber bloß in Ruhe lassen  sie sind eben keine gezähmten Hunde, sondern wilde Wüstenhunde.

Abdruck einer Dingo-Pfote im Sand
Abdruck einer Dingo-Pfote im Sand

Kurze Zeit später brechen wir auf zu einem Aussichtspunkt auf den Uluru. Als die Sonne aufgeht, hebt sich der Fels erst dunkel vor dem blassrosa Himmel ab. Im Einklang mit der Sonne nimmt er schließlich seine gewohnte Farbe wieder an – je höher sie steigt, desto röter wird auch er. Der Tag kann beginnen.

Wir fahren Richtung Kata Tjutas, wo die Rundwanderung „Valley of the Winds“ auf uns wartet. Der Aboriginie-Name bedeutet übersetzt in etwa „viele Köpfe“, und so sehen die runden Kuppen der Gebirgskette tatsächlich aus.

Bergkette „Kata Tjuta“
Bergkette „Kata Tjuta“

Die Wanderung geht insgesamt sieben Kilometer. Richtig steil wird es erst am Ende – aber der Blick auf die Bergkuppen und das grüne Grasland entschädigt alle Anstrengungen.

Bevor es zurück ins Camp geht, halten wir an einem See, der nur aus Salz besteht. Der rötliche Wüstensand am Ufer des Sees ist so fein, dass man einzigartige Bilder mit ihm machen kann: Wenn man ihn wirft, scheint es so, als hätte man einen Sandstrahl aus der Erde gezogen.

Blick auf den Salzsee
Blick auf den Salzsee

Im heutigen Camp sehen wir die Sterne und die Milchstraße sogar noch klarer. Wir sitzen lange am Lagerfeuer und lassen die letzten beiden Tage Revue passieren. Morgen ist unser letzter Tag und gleichzeitig der körperlich anspruchsvollste: Wir wandern entlang der Abgründe von Australiens tiefster Schlucht, dem King’s Canyon.

Lagerfeuer abends im Camp
Lagerfeuer abends im Camp

Wieder brechen wir ganz früh auf. Bei großer Hitze ist der Weg ab 9 Uhr gesperrt. Drei Liter Wasser mindestens muss jeder dabeihaben, der auf das Plateau will.

Die Stufen hoch sind steil und anstrengend – gut, dass die Temperaturen noch unter dreißig Grad liegen. Die Regelung, dass nach neun Uhr niemand mehr beginnen darf, ist mehr als sinnvoll. Als wir auf dem Plateau ankommen, erreichen die ersten Sonnenstrahlen gerade die Felsen. Langsam tauchen sie die noch dunkle Erde in ein warmes Licht, erhellen Steine und Gräser. Nun erkennen wir erst, wie hoch wir sind: Unter uns liegt das weite Grasland – ein Teil im Schatten, ein Teil im Licht.

Die gewaltige Schlucht gibt den Blick frei auf jahrtausendealte Sedimentschichten. Sie entstand durch zwei aufeinanderliegenden Sandsteinarten, wobei die untere weicher ist als die obere. Wind und Wetter bewirkten, dass die obere Schicht aufriss. Irgendwann drang der Spalt bis zur unteren Schicht vor. Das weichere Gestein brach zusammen und nahm dem oberen die Auflage: Die Schlucht war geboren.

Wir wandern zu einem geschützten Tal mit Teich, dem Garten of Eden. Der Kontrast zwischen der kargen Landschaft und der leuchtenden Vegetation rund um das Wasser beeindrucken mich immer wieder.

Nach der Wanderung essen wir ein letztes Mal zusammen, danach geht es zurück nach Alice Springs. Es waren unbeschreibliche Tage im Roten Zentrum. Selten habe ich so gut geschlafen wie in der australischen Wüste, selten so einmalige Landschaften gesehen.

Wasserstelle im "Garden of Eden"
Wasserstelle im "Garden of Eden"

Noch gebe ich mein geliehenes Fliegennetz aber nicht zurück: Für meinen letzten Tag habe ich einen Kamelritt gebucht. Kamele wurden von den Europäern importiert. Bis 1920 waren sie das einzige Fortbewegungsmittel im Outback. Ein Teil wurde ausgewildert und vermehrte sich rasant: Heute gibt es hier mehr wilde Kamele als Kängurus.

Das Kamel, das ich reite, wirkt alles andere als wild. Gemütlich schaukeln wir durch diese einmalige Berg- und Wüstenlandschaft, zum letzten Mal, bevor es am nächsten Tag nach Cairns geht. Die Klimazonen könnte nicht unterschiedlicher sein: Von der staubtrockenen Wüste geht es in den nassfeuchten Regenwald zum Great Barrier Reef.

Cairns hat mich leider nicht so begeistert wie das Outback. Warum? Hier geht es zum Artikel über Tagesausflüge zum Great Barrier Reef.