Neuseeland - Die Nordinsel

Von Glühwürmern, Hobbits und Vulkanen

Im zweiten Teil der Neuseeland-Reise geht es erst tief unter die Erde in eine funkelnde Höhle. Anschließend wird am Filmset Hobbiton das Auenland Realität, und zum Schluss wartet das berühmt-berüchtigte alpine Tangariro Crossing  eine Wanderung über ein Vulkanmassiv.

Nach unserem Tagesauflug zum Cape Reinga bringt uns der Bus zurück nach Auckland. Von dort starten wir Richtung Waitomo. Die Gemeinde ist bekannt für ihr komplexes Höhlensystem, Heimat der leuchtenden endemischen „Glowworms“.

Abstieg unter die Erde

Unser Guide ist auch heute eine junge Maori. Tane nimmt unsere Gruppe heute mit in die Höhle, auf eine der entspannten Touren. Eine andere Gruppe hat sich für abenteuerliches Wasser-Rafting entschieden.

Wir steigen über eine enge, schwach erleuchtete Wendeltreppe hinab in die Höhle. Es ist fast, als würden wir einen gähnenden Schlund betreten, der in völlige Dunkelheit führt. Je tiefer wir gehen, desto feuchter und modriger fühlt sich die Luft an. Alle Geräusche der Welt über uns werden geschluckt. Ratternd öffnet sich dann die Tür, die uns in die eigentliche Höhle bringt. Als wir in der Höhle sind, schließt sie sich mit einem lauten Klicken, das sich nicht ignorieren lässt. Wir sind unter der Erde.

Diamanten-Optik in der Höhle

Die Wände der Höhle sind ebenso schwach beleuchtet wie die Wendeltreppe. Aber das Licht reicht, um alle mulmigen Gefühle wegzuwischen. Vor uns tun sich einmalig schöne Gebilde aus Stalagmiten und Stalaktiten auf. Es ist, als hätten wir eine unterirdische Schatztruhe entdeckt.

Wir tasten uns vorsichtig durch die Höhle, und schon bald sehen wir sie: Die Glowworms, die schwarzen Wände der Höhle schwach zum Glimmen bringen. Sie sind keine Glühwürmchen, wie wir sie auch in Europa kennen. Tane erklärt uns, dass die Insekten in Neuseeland endemisch sind: „Die wurmförmigen Pilzmückenlarven lassen lange klebrige Fäden von den Decken herunterhängen. Das bläuliche Licht lockt dann Insekten an, die sich in den Fäden verfangen.“

Die silbrig-blauen Fäden der Insekten verstärken den Eindruck einer Schatzhöhle noch. Man könnte die Insekten auch für funkelnde Diamanten halten, die halb in den Wänden versteckt sind.

Auf einmal hallt ein gedämpfter Aufschrei durch die Höhle. Es klingt, als käme er von weit entfernt. „Nur keine Sorge“, sagt Tane gelassen. „Die Wasserfälle in der Höhle kommen oft überraschend für die Raftler.“

Tatsächlich sehen wir ganz schwach im hinteren Teil der Höhle die andere Gruppe, die sich mit dem Schlauchboot durch das nachtschwarze Wasser bewegt. Begleitet vom Plätschern des Wassers bewegen wir uns wieder Richtung Ausgang; immer vorbei an den unendlichen Formen aus Kalkstein.

Fossil in der Höhle
Fossil in der Höhle

Hobbiton

Wir machen uns auf Richtung Rotorua. Auf dem Weg dorthin liegt ein sehnsüchtig erwarteter Zwischenstopp. Die Augen der meisten Mitglieder unserer Gruppe fangen schon an zu Leuchten, wenn sie nur den Namen hören: Hobbiton, das Herr-der-Ringe-Filmset. Ich persönlich habe keinen einzigen der Herr-der-Ringe-Filme gesehen. Aus meiner Zeit in Island weiß ich nur, dass die Filme eine beträchtliche Rolle dabei gespielt haben, Vulkanlandschaften „populär“ zu machen. Viele Europäer, die Herr-der-Ringe-Landschaften sehen wollten, ohne 20 Stunden zu fliegen, kamen unter anderem deshalb nach Island.

Ich gehe mit nach Hobbiton, weil mich das Filmset interessiert. Und ja – auch, weil ich wissen möchte, worüber alle eigentlich immer reden.

Achtung, Herr-der-Ringe-Fans, ihr müsst jetzt stark sein: Der Baum oberhalb der Hobbit-Höhle ist aus Plastik.
Achtung, Herr-der-Ringe-Fans, ihr müsst jetzt stark sein: Der Baum oberhalb der Hobbit-Höhle ist aus Plastik.

Unser Guide heute ist kein Neuseeländer, sondern ein britischer Backpacker namens Sam, der hier Work-und-Travel macht. Er erzählt uns zuerst von den „Hardcore-Fans“, die am liebsten in eine der Höhle einziehen würden. „Einmal mussten wir die Polizei rufen, weil ein offensichtlich psychisch verwirrter Mann sich ernsthaft für einen Hobbit gehalten hat.“ Aber: „40 % der Menschen, die sich das Set anschauen, haben die Filme nie gesehen. Sie sind einfach interessiert. Oft kommt es auch vor, dass sie die Herr-der-Ringe-Fans daheim neidisch machen wollen. Hatten wir neulich erst: Ein älteres Ehepaar, das ihren Sohn mit den Fotos ärgern wollte.“

Die Gärten der Hobbits

Schöne Fotos kann man am Set auf jeden Fall machen. Alles wirkt so liebevoll gestaltet – von den Schachbrettern in den Gärten bis hin zu den Angeln. Die Details am Set sorgen dafür, dass man sich wirklich vorstellen könnte, dass ein Hobbit gleich gähnend aus einer der Höhlen tritt. Langsam merken wir auch, dass der Herbst am anderen Ende der Welt im April kommt: Orangene Kürbisblüten leuchten mit Lavendel, Dahlien und Astern um die Wette. Überall schwirren Schmetterlinge umher. Eigentlich lohnt sich ein Besuch des Sets allein schon wegen der Art, wie die Gärten der Hobbits gestaltet wurden. Die Dorfwirtschaft unterhalb des Dorfs, in der fröhlich gefidelt wird, ist ein sehr schöner Abschluss für den Besuch.

"Craters of the Moon"

Am nächsten Morgen erlebe ich brodelnden Vulkanismus. Ein Linienbus bringt mich in die Nähe von Craters of the Moon, einer vulkanisch hoch aktiven Zone. Um das Areal betreten zu dürfen, zahle ich einen kleinen Eintrittspreis. Das Gebiet ist durch die vulkanische Aktivität nicht ungefährlich. Der Weg muss instandgehalten werden. Die heißen Stellen sind gesichert und abgesperrt.

Das Areal hat seinen Namen in den Fünfziger Jahren bekommen. Ein Erdwärmekraftwerk sorgte dafür, dass sich der Grundwasserspiegel senkte. Daraufhin taten sich heißen Krater mit kochendem Schlamm und dampfenden Fumarolen auf. Die dampfenden, rötlichen Risse in der Erde sind von besonders widerstandsfähigen Sträuchern überwachsen, die die extremen Temperaturen und Stoffe in der Erde überleben können.

Das Gebiet wirkt einerseits lebensfeindlich und fremd – auf der anderen Seite so neu, dass es an den Ursprung der Erde denken lässt. Unwillkürlich denkt man an einen Kometeneinschlag, der dafür gesorgt hat, dass sich die Erde komplett verändert hat. Das Moos, aus dem der Dampf aufsteigt, die riesigen Farne und die bewaldeten Berge im Hintergrund verstärken diese mystische Atmopshäre einer neuen Welt. Fast fühlt man sich, als befinde man sich auf einem anderen Planeten. Ein Spaziergang im All, mitten in Neuseeland.

Huka Falls, die eisblauen Wasserfälle

Ich nehme nicht den Bus zurück nach Taupo, sondern laufe am Waikato River entlang. Der Fluss ist der längste Neuseelands und ein Abfluss des Lake Taupo. Höhepunkt des Rückwegs sind die spektakulären Huka Falls: Hier donnert das eiswasserblaue Wasser in zwei Kaskaden in die Stromschnellen.

Meinen ersten Wandertag in der vulkanischen Zone lasse ich in den Hot Pools ausklingen, die kurz vor Taupo liegen. In diesem natürlichen, freiliegenden Thermalbad kann man in den Becken ein heißes Bad nehmen - und sich anschließend im Fluss abkühlen.

Das Tangariro Crossing

Als ich abends im Hostel ankomme, liegt eine fiebrige Stimmung in der Luft. In der Küche sind alle fleißig dabei, Proviant zu schnippeln und zu packen. Schon seit ein paar Tagen ist das berühmte „Tangariro Crossing“ ein Gesprächsthema in der Gruppe. Die 20 Kilometer lange Tageswanderung gilt als eine der schönsten, aber auch anspruchsvollsten Wanderungen in Neuseeland – ein Streckenabschnitt zwischendurch heißt „Devil’s Staircase“, also „Treppe des Teufels“. Verständlicherweise möchte jeder so gut ausgerüstet wie möglich sein. Wie anstrengend wird die Wanderung wirklich?

Feuer und Eis im Vulkan-Nationalpark

Ein Shuttlebus holt uns vor Sonnenaufgang am Hostel ab und bringt uns zum Mangatepopo Carpark im Tangariro Nationalpark. Im Dämmerlicht steigen wir aus und gehen auf den Steg zu, der durch das Lavafeld führt. Es ist so kalt, dass er komplett eingefroren ist. Auch das Heidekraut und die Sträucher neben dem sind über und über mit Frost bedeckt. Die Mischung aus Lava und Frost lässt die mondähnliche Landschaft noch surrealer wirken. Kein Mensch befindet sich in Sichtweite.

Etwa vier Kilometer geht es eben weiter. Danach kommt der erste, moderate Aufstieg. Als ich mich umdrehe, sehe ich, wie die Sonne langsam über dem Vulkanmassiv aufgeht und die karge Landschaft erhellt.

Aufstieg auf der Treppe des Teufels

Nun kommt der anstrengendste Teil: die berüchtigten Treppen. Circa eine Stunde lang fühlt man sich, als wäre man auf einem unnötig stark eingestellten Stepper. Aber – als das geschafft ist, ist der schwierigste Part der Wanderung vorbei. Es fühlt sich sehr gut an, den Teufel bezwungen zu haben. Voller Glücksgefühle setze ich meine Wanderung entlang des Ngauruhoe-Vulkans fort. Immer wieder fällt mein Blick auf die Spitze des imposanten Vulkans. Der rötliche Kegel lässt erahnen, welche Naturgewalten hier im Spiel waren (und immer noch sind).

Manchmal reichen ein paar Vulkane und ein wärmendes Stirnband, damit man so richtig glücklich ist.
Manchmal reichen ein paar Vulkane und ein wärmendes Stirnband, damit man so richtig glücklich ist.

Ein paar Meter weiter schließlich stehe ich direkt am gezackten Abgrund eines Kraters, dem „Red Crater“. Hier springt deutlich ins Auge, wie einst der Vulkan aufbrach und fauchend die Lava ausspuckte. Mit dem Mount Nguaruhoe im Nacken und dem riesigen, bodenlosen Krater direkt vor Augen wächst der Respekt vor diesem Massiv und seiner Kraft. Wann werden diese Vulkane wieder wütend ihre Lava schleudern?

Die Seen des Vulkanmassivs

Vom Krater aus überblickt man bereits die „Emerald Lakes“, die Smaragdseen unterhalb des Kraters. Giftgrün betten sie sich in die braune Lavalandschaft ein, daneben steigt vereinzelt Dampf aus Fumarolen auf. Allgegenwärtig ist der mittlerweile vertraute, schwefelige Duft nach faulen Eiern. Der Abstieg auf dem Geröll ist sehr rutschig – rechts und links von mir landen ein paar Wanderer auf dem Hinterteil, auch ich komme nicht drum rum.

Die Emerald Lakes
Die Emerald Lakes

Ich lasse die schillernden Smaragdseen hinter mir. Ein letztes Mal fällt der Blick auf den Schicksalsberg und den gewaltigen Krater vor ihm. Nächster Punkt ist der „Blue Lake“, der anders als die Smaragdseen wie ein einladender Badesee wirkt. Sein marineblaues Wasser funkelt im Sonnenschein.

Blue Lake
Blue Lake

Abstieg und Schluss des Crossings

Langsam, aber sicher nähere ich mich dem Ende der Wanderung. Kurz vor dem Abstieg Richtung Parkplatz fällt der Blick auf den Lake Taupo, daneben steigt Dampf aus dem Vulkanmassiv. Bergab geht das karge Geröll schließlich in einen dichten, feuchtgrünen Wald über – das Tangario Crossing ist voller Abwechslung.

Etwas erschöpft, aber müde komme ich schließlich am Endpunkt der Wanderung an. Auf der Rückfahrt sehe ich die beiden Vulkane. Es fühlt sich gut an, sie von unten zu sehen, nachdem man den ganzen Tag auf ihnen gewandert ist. Man hat sie buchstäblich mit all ihren Höhen und Tiefen kennengelernt. Heute Morgen lagen sie noch im Dunkeln.

Blick Richtung Lake Taupo
Blick Richtung Lake Taupo
Mount Ruahepu, der erste Vulkan auf Wanderung...
Mount Ruahepu, der erste Vulkan auf Wanderung...
...und Mount Ngauruhoe, der Schicksalsberg
...und Mount Ngauruhoe, der Schicksalsberg

 Neuseeland ist noch nicht vorbei: Auf der Südinsel warten neue Abenteuer zwischen Alpen, Gletscherseen und einem Fjord und seine tausend Wasserfälle.