Während Vulkane und karge Lavalandschaften die Nordinsel Neuseelands prägen, wird die Südinsel von den neuseeländischen Alpen überragt. Aber nicht nur ihre schneebedeckten Gipfel und die türkisfarbenen Gletscherseen machen die Südinsel zu einem spektakulären Naturschauplatz – auch der Milford Sound im Süden ist atemberaubend schön.
Wir nehmen in der Hauptstadt Neuseelands, Wellington, die Fähre auf die Südinsel. Dort verbringen wir ein paar Tage an den endlosen Sandstränden des Abel Tasman Nationalpark und fahren dann Richtung Franz Josef Gletscher. Auf dem Weg dorthin wartet noch eine ganz besondere Überraschung: Die Robbenkolonie am Cape Foulwind.
Unser Fahrer lässt uns am Parkplatz am Tauranga Bay raus. Nach kurzer Zeit sehen wir sie: Die Kolonie neuseeländischer Pelzrobben, die sich auf den Steinen am Küstenufer lebt. Die verspielten Jungen tapsen über die Steine, während ihre Eltern teilweise komplett reglos daliegen und die Sonne genießen.
Auch, als die Robben außer Sichtweite sind, bleibt die Kulisse spannend: Wir folgen dem circa anderthalb Stunden langen Küstenwanderweg. Vor uns liegt hügeliges, sanft abfallendes Weideland, Sandstrand und zerklüftete Granitklippen.
Abends erreichen wir Franz Josef Town. Für viele in der Gruppe ist es das erste Mal, dass sie einen Gletscher sehen.
Dieser liegt auch noch mitten im Regenwald, was einzigartig ist auf der Welt. So gerne ich den Gletscher auch sehen möchte: Der Helikopterflug auf den Gletscher passt einfach nicht ins
Budget.
So gehe ich am nächsten Tag ins Wildlife Centre in der Stadt, um wenigstens etwas Theorie mitzunehmen. Eine Tatsache brennt sich ein: Bis zur Jahrhundertwende wird der Gletscher knapp 40 % an
Masse verlieren. Wandertouren zum Gletscher sind nicht mehr möglich. Schuld ist natürlich der Klimawandel, der mit durch den massiven Flugverkehr verursacht wird. Paradoxerweise ist heute die
einzige Möglichkeit, den Gletscher hautnah zu erleben, mit einem Helikopter direkt darauf zu landen. Alle paar Stunden hört man die Hubschrauber brummen, die sich auf den Weg machen. Auf einmal
finde ich es gar nicht mehr so schlimm, dass ich darauf verzichten musste.
Im Halbdunkeln des Wildlife Centre erspähe ich auch den ersten Kiwi hinter Glas. Nachdem ich die Informationstafeln über das Nationaltier Neuseelands gelesen habe („die Vögel riechen stark nach
Pilzen. Sollten Sie auf einmal diesen Duft im Wald wahrnehmen, ist es möglich, dass ein Kiwi nahe ist“), geht es zurück ins Hostel.
Wir verlassen Franz Josef Town am frühen Morgen, nächster Stopp: Wanaka. Zwischendurch halten wir am Lake Tekapo. Der See ist so traumhaft türkis, dass man die Farbe kaum glauben kann. Abgerundet wird dieses überirdische Bild vom schroffen Mount Cook im Hintergrund, dessen weiße Spitze – die höchste Neuseelands – ins Himmelblau ragt.
Wanaka wurde vor allem durch den „Wanaka Tree“, berühmt: Ein Baum, der aus der Mitte des Sees zu wachsen scheint.
Schnell merke ich, dass ein Baum bei Weitem nicht alles ist, was Wanaka zu bieten hat. Ich wandere durch die Weinreben bergauf. Als ich mich
auf der Anhöhe umdrehe, kann ich den Ausblick wieder kaum fassen – und bin sehr dankbar für das klare Herbstwetter. Und diese frische Luft!
Hinter den Reben und ihrem teilweise weinrotem Laub liegt der See. Sein spiegelglattes Wasser funkelt im Sonnenschein. Darüber ragt das Alpenpanorama in den wolkenlosen Himmel. Wieder zeigt sich Neuseeland von einer so schönen Seite, dass man seinen Augen kaum traut.
Am nächsten Tag schlägt das Wetter um, es schüttet aus Eimern. Der Himmel ist ein undurchdringlicher, grauer Teppich aus Wolken. Man erkennt
nichts, wenn man aus dem Busfenster blickt. Unser nächster Halt –
und mein letztes Naturschauspiel, bevor es zurück nach Auckland geht –
ist der Milford Sound.
Dem Meeresarmt eilt sein Ruf als einer der schönsten Fjorde weltweit voraus. Angesichts des Wetters sehen einige ziemlich unglücklich darüber aus.
Dem Fahrer fallen die langen Gesichter auf. Seine Reaktion hätte einen Preis verdient: „Ihr wisst, dass wir durch das ,Tal der Tausend Wasserfälle‘ fahren. Regen macht es erst lebendig. Das ist
eine andere Art von Schönheit, also seid froh über das Wasser.“ Noch nie habe ich gesehen, dass Launen so schnell umschlagen können (ins Positive). Aber ich habe auch selten so gelassene Menschen
wie die Neuseeländer kennengelernt. Das haben sie mit den Isländern gemeinsam: Beide regen sich nicht über Kleinigkeiten wie Regen (oder einer Vulkanwolke, die wochenlang den Flugverkehr
lahmlegt) auf.
Als wir im Fiordland ankommen und mit einem Boot auf dem Meeresarm umherschippern, verstehen wir, was unser Fahrer mit „andere Art Schönheit“ meint. Nebel hüllt die schwarzen Granitfelsen rund um den Fjord ein.
Es ist, als hingen Gewitterwolken über den Gipfeln, aus denen flüssige, weiße Blitze zucken. Lavaartig rinnen die Wasserströme die Hänge herab. Wir sehen eigentlich nichts außer Felsen und Wasserfällen – sie heben sich als einzige deutlich im Dunst ab.
Das Bild ist von so einer unbeschreiblichen Dramatik, dass auf dem Boot kaum gesprochen wird. Im tosenden Regen hätten wir uns sowieso nicht verstanden – die Natur spricht heute als Einzige, wie so oft in Neuseeland. Der Tag heute war auf jeden Fall ein würdiger Abschluss meiner Neuseeland-Reise.