Neuseeland ist das Paradies für Outdoor-Fans. Auch mich nimmt die Insel von Anfang an in ihren Bann: Innerhalb einer Woche besteige ich einen aktiven Vulkan, gehe mit einem Pferd schwimmen und sause auf einem Holzbrett eine Sanddüne herunter.
Spätestens seit Island bin ich von Vulkaninseln begeistert. Dementsprechend groß ist die Vorfreude auf meine Zeit in Neuseeland. Für meinen ersten Tag habe ich geplant, die Nordinsel direkt wieder zu verlassen: Ich setze von Auckland über auf Rangitoto Island. Sie liegt mitten in der Bucht von Auckland, dem Hauraki Gulf.
Die Fähre legt um neun Uhr vom Ferry Building ab. Das Wetter macht
mit: Wasser und Himmel strahlen um die Wette. Im Meer glitzern ein paar Schaumkronen, während am Himmel einige Schleierwolken hängen.
Etwa eine halbe Stunde tuckert die Fähre durch das ruhige Wasser, bis wir auf der Vulkaninsel ankommen. Ziel dieses Ausflugs: Der Aufstieg auf den Rangitoto Vulkan,
von dem man aus einem grandiosen Blick auf die Bucht und die gegenüberliegende Skylines Aucklands hat.
Ich bewege mich direkt Richtung Vulkankrater und gelange bald in einen dichten Wald. Verschiedenste Vogelstimmen begleiten mich, während ich vorbei an riesigen Farnen, schroffen Lavafelsen und moosüberwachsenen Stämmen Richtung Gipfel wandere. Vereinzelt sehe ich Spinnenweben, auf denen im noch schwachen Licht der Sonne Tautropfen glitzern und den Eindruck des verwunschenen Waldes noch verstärken.
Der Ausblick vom Krater schließlich hält, was er versprochen hat. Vor mir erstreckt sich die schwarze Lava, die im Kontrast zu dem satten, leuchtend grünen Vegetation der Insel und dem
strahlenden Blau des Pazifiks steht. Dahinter erhebt sich der Auckland-Turm über der Skylines von Neuseelands größter Stadt. Darüber hängen noch immer einige Schleierwolken. Die Ankunft in
Aotearoa, dem Maori-Namen für Neuseeland – „Land
der langen weißen Wolke“ –
hätte nicht besser sein können.
Am nächsten Morgen geht es mit dem Busunternehmen, bei dem ich ein Hop-on-Hop-Off-Ticket für beide Inseln gebucht habe, Richtung Paihia, einer Stadt im Osten der Nordinsel in der Bay of Islands.
Die Bay of Islands ist für ihr reiches Delfinvorkommen bekannt.
So großartig Delfine auch sind – da ich erst vor wenigen Wochen in Adelaide mit Delfinen schwimmen war, lockt mich eher eine Reittour. Wieder habe ich fast schon unverschämtes Glück: Ich bin die
Einzige, die sich an diesem sonnigen Nachmittag für eine Reittour angemeldet hat. Da ich Reiterfahrung habe, bietet die Managerin des Hofes
an, ihre beiden Touren aus Wald- und Strandritt zu kombinieren. Um trotzdem mit der Zeit hinzukommen, müssen wir dafür im Wald allerdings schnell
reiten.
Und das tun wir: Mein Brauner greift auf dem weichen Waldboden im Galopp weit aus, bis wir an einem Blickpunkt auf einen Vulkan ankommen. Danach reiten wir die verschwitzten Pferde bergab,
Richtung Bucht. Vom schwarzen Strand aus gehen wir mit den Pferden ins Wasser. Mein Pferd scheint sich über die Abkühlung zu freuen und schwimmt tatsächlich einige Meter mit mir in die Bucht.
Bisher ist Neuseeland der reinste Glücksrausch.
Am nächsten Morgen legt der Bus ab Richtung Cape Reinga, dem nördlichsten Punkt der Insel. Ich habe meinen Kopf gegen das Fenster gelehnt und schwelge noch in Erinnerungen an den Reittag gestern, als ich auf einmal unsanft durchgeschüttelt werde. „Tut mir leid“, sagt unsere Fahrerin Amaia gelassen. „Ein Possum, wisst ihr. Nur ein totes Possum ist ein gutes Possum. Kann sein, dass das nochmal vorkommt.“ Ich sitze auf der linken Seite des Busses und sehe tatsächlich das überfahrene Possum am Straßenrand liegen. Im 19. Jahrhundert importierten europäische Siedler die Nager aus Australien. Sie vermehrten sich unkontrolliert und sind heute einer der größten Faktoren, die die neuseeländische Flora und Fauna bedrohen.
Auf jeden Fall bin ich jetzt wach. Heute steht eine Tour zum Cape Reinga mit Zwischenstopps auf dem Programm. Krönender Abschluss heute: Sandboarding. Da mir die Erinnerung an das Sandboarding in der Wüste Abu Dhabis in ähnlich guter Erinnerung geblieben ist wie das Reiten gestern, freue ich mich darauf schon besonders.
Der erste Stopp heute ist ein Spaziergang durch einen Kauriwald. Noch etwas verschlafen schlurfen dreißig BackpackerInnen durch die dichte Vegetation. Als wir vor den gewaltigen Stämmen stehen, macht uns Amaia auf die wellige Rinde der Bäume aufmerksam. Sie erzählt uns eine Maori-Geschichte: „Vor Jahrhunderten hatte sich ein Kauri-Baum mit einem Wal angefreundet. Da sie nicht in ihren gegenseitigen Habitaten überleben konnten, gaben sie sich gegenseitig ein Stück ihrer Haut, um sich nah zu sein. Deshalb ähnelt die Rinde des Baumes der Haut eines Wales und umgekehrt.“
Nach diesem erfrischenden Waldspaziergang geht es weiter Richtung Cape Reinga. Wir laufen zu einem Leuchtturm, der den nördlichsten Punkt markiert. Dabei begegnen
uns endemische Pflanzen, die uns mal kurz in die Dinosaurier-Zeit zurückversetzen.
Auch um das Cape-Reinga rankt sich eine Maori-Legende: „An diesem Ort trifft die Tasmanische See auf den Pazifik. Wir glauben, dass hier die Seelen der Maori hier die Insel verlassen“, erklärt Amaia. „Außerdem trifft hier von Westen das männliche Prinzip auf das weibliche, das von Osten kommt. So symbolisiert das Cap für uns auch die Entstehung neuen Lebens.“ Tatsächlich scheint man - weit draußen im Meer – zu sehen, wie die beiden Strömungen aufeinandertreffen. So stark, wie die Naturgewalt hier sichtbar wird, verkörpert der Ort tatsächlich auf beste Art und Weise das Prinzip Leben.
Unseren nächsten Punkt erreichen wir über eine etwas ungewöhnliche Autobahn: Der „90 Miles Beach“ ist offiziell ein Teil des neuseeländischen Fernstraßennetzes. Er ist eine der wenigen Straßen weltweit, die gleichzeitig Strand sind – oder eher umgekehrt. An diesem Tag ist die Straße menschenleer. Wir brausen mit dem Bus an der Brandung entlang. Die einzigen anderen Verkehrsteilnehmer sind ein paar Möwen, die aufgeschreckt hochflattern und sich danach gleich wieder zwischen den vielen Muscheln niederlassen. So können wir entspannt aussteigen und den endlos wirkenden Strand und seine Dünen bewundern. Es herrscht Ebbe, sodass wir durch das niedrige Wasser stapfen können. Es ähnelt ein wenig einer Wattwanderung in der Nordsee. Besonders schön sind die Wolken am Himmel, die als perfekte Spiegelung im Wasser wiederauftauchen.
Letzter Punkt heute: Sandboarding. Was ich nicht erwartet hatte: Die Dünen sind weitaus höher als die in Abu Dhabi. Im Vergleich zu den Hügeln in Abu Dhabi tut sich hier ein Himalaya aus Sanddünen auf. Ja, mir zittern ein wenig die Knie. Das ist nicht das entspannte Schlittenfahren, das ich im Sinn hatte – wir sollen uns ganz flach auf den Bauch legen und „ja das Board anheben, wenn ihr unten ankommt, ansonsten bleibt ihr mit der Spitze stecken und überschlagt euch“. Sehr gut.
Als sich ein paar todesmutige Schotten als erste trauen und danach fröhlich für eine zweite Runde den Hügel hochklettern, traue ich mich auch. Und ja: Ich kraxele danach auch nochmal hoch.
Cape Reinga war nur der Anfang einer unglaublichen Reise durch das Land der Vulkane. Im
zweiten Teil der Reportage über Neuseeland geht es erst unter die Erde in eine funkelnde Höhle, danach in das Auenland und schließlich auf ein imposantes Vulkanmassiv.