Kaum eine Kolonialstadt ist so gut erhalten wie Cartagena. Und kaum eine Stadt hat eine so bewegte Geschichte hinter sich –
inklusive Piraterie und Sklavenhandel. Wie aber steht es heute um die Perle der Karibik, deren Schönheit und Geschichte Massen von Touristen anzieht?
Verwitterte Mauern trennen die Küste vom cartagenischen Festland. Eine massive Kanone ragt über das Gestein. Sie nimmt heute die Bucht und die Hochhäuser ins Visier. Lange war sie ein Schutz gegen Seeräuber, welche die Stadt in der kolumbianischen Karibik plündern wollten.
Cartagena war und ist eine reiche Stadt. 1533 gegründet, erlebte sie schnell florierenden Wachstum und war
wichtige Zwischenstation der spanischen Silberflotte. So viel Reichtum zieht bekanntlich Räuber an: Nach einem Überfall des Piraten Sir Francis Jake im Jahr 1585 entschieden die Cartagener, ihre
bunte Stadt mit einem mächtigen Wall zu sichern.
Noch heute ist das koloniale Erbe so gut erhalten, dass die UNESCO Cartagena zum Weltkulturerbe erklärte. Cartagenas karibische, kubanisch anmutende Fassaden sind auch unbestreitbar schön und
anmutig. Aber die Stadt besitzt eine extrem hässliche Vergangenheit: Cartagena war schließlich ein wichtiger Hafenpunkt an der Karibikküste und damit eine Drehscheibe für den Sklavenhandel. Heute
erinnern auf dem Marktplatz, direkt unterhalb der Kirche, Schaustellerinnen in Kostümen und mächtigen Weidenkörben auf dem Kopf an dieses dunkle Kapitel.
In solchen Städten fällt es mir immer schwer, lässige Schönheit und bunte Fassaden voller Blumen zu genießen. Auch am Strand kommt trotz strahlendem Sonnenschein wenig Urlaubsfeeling auf. Alles könnte optimal sein: Ein paar Schleierwolken bedecken den makellosen Himmel, darunter erstreckt sich der weite Ozean. Im Wasser aber brausen pausenlos junge Männer auf Jetskis unangenehm nah um mich herum, um mich zu einer Fahrt zu überreden. Motoröl steigt mir in die Nase, der Wellengang ist unnatürlich durch die Jetskis. Ich halte es nicht lange aus und entscheide mich für eine Schnorcheltour auf einem Katamaran.
Wir fahren nahe der Statue eines geflügelten Pferdes ab und lassen die Bucht von Cartagena schnell
hinter uns. Vom weiten Meer aus wirkt der Kontrast zwischen historischer Kirche und moderner Hochhäuser noch mal stärker. Cartagena liegt fast genau gegenüber von Miami, sodass viele Amerikaner hier
urlauben. Fast erinnert kolumbianische Skyline an die pompöse US-Stadt.
Auf der Fahrt geraten wir auf einmal in einen kleinen, tropischen Sturm: Die Crew muss alle Markisen ausfahren, um die Touristen vor den prasselnden Wassermassen zu schützen. Es stört aber
niemanden großartig – auch dank der Musik, die voll aufgedreht wird und so ablenkt. Für das Schnorcheln selbst wurde leider zu viel versprochen: statt bunter Unterwasserwelt gibt es einige Steine
und Algen; mehr nicht. Trotzdem ist der stürmische Ausflug lustig und schön, und vergnügt fahren wir wieder in den Hafen ein.
Einen Tag habe ich noch in Cartagena, bevor ich meine Freundin in der Savanne besuche. Bisher hat mich die sehr touristische und sehr laute Stadt nicht begeistert, obwohl die Altstadt wirklich wunderschön ist. Vielleicht schaffen es ja die nahen Salzbecken, die wie in der Camargue pink leuchten sollen? Laut Internet sind die Lagunen aktuell nicht rosa gefärbt. „Doch, doch“, verspricht die Rezeption. „Diese Infos sind falsch. Das ist ganzjährig wunderschön pink.“ Na dann.
Der Fahrer holt mich am Hotel ab und fragt, was ich über die Lagunen weiß. „Die Färbung kommt von den Algen darin“, sage ich. „Ja, das stimmt.“ Ende der Unterhaltung. Als wir an den Salzbecken ankommen, erwartet mich ein schlammiges, trauriges Grau. Mit viel, viel Fantasie kann man es allenfalls für rosa halten. Recht schnell fahren wir zurück zum Hotel. Dort bemerke ich, dass mein Bargeld nicht mehr da ist, das sicher am Morgen noch gut verstaut war. Piraten?
Am nächsten Tag reise ich ab und denke: Cartagena ist trotz ihres Liebreizes keine Freundin geworden – aber ein schönes Beispiel für eine Verkettung unglücklicher Umstände…