Nach beeindruckenden Tempelanlagen und Sichtungen von Flussdelfinen geht die Reise durch Kambodscha weiter in den Nordosten des Landes, wo teilweise undurchdringlicher Dschungel wartet. Endpunkt der Reise ist die Trauminsel Koh Rong mit ihrem strahlend weißen Sandstrand und der schillernden Unterwasserwelt.
Inhalt
Ban Lung ist die Hauptstadt der Provinz Rattanakiri und bietet ausgedehntes Dschungeltrekking. In meiner Unerkunft schlafe ich in Baumhäusern oberhalb der Stadt. Um mich herum wachsen
Cashew-Bäume, deren Früchte auf die Veranda und die Dächer prasseln. Es ist leicht, sich bei dieser Geräuschkulisse und dem Blick auf den Dschungel wohl zu fühlen.
Die Anlage wird von einer Familie geführt, die auch Dschungeltouren anbietet. Zusammen mit drei anderen Gästen und einem Guide mache ich mich auf zu einer Tagestour.
Obwohl Kautschuk- und Kaffeeplantagen immer mehr werden und das Gebiet unter illegalem Holzabbau leidet, gibt es ihn hier noch: den undurchdringlichen, dichten Dschungel voller wilder Tiere. Sogar Tiger und Bären leben noch tief im Dschungel.
Auf der Tour erfahren wir von Anfang an viel über die Vegetation. Es ist faszinierend, was dieses grüne Dschungelmeer alles hergibt – sogar Kaugummi finden wir am im Dickicht. Wir können uns selbst davon überzeugen, wie süß und gummiartig eine bestimmte Rinde schmeckt, wenn man lange genug auf ihr kaut. Unser Guide schneidet unterwegs auch Lianen auf, die milchigen Saft enthalten. „Dieser fördert die Fruchtbarkeit und die Milchproduktion bei Frauen, die kürzlich entbunden haben“, erklärt er. Andere Lianenarten wiederum enthalten Giftstoffe, mit denen Fische getötet wurden. Das Gift ist für Menschen ungefährlich und die Fische konnten dann verzehrt werden.
„Wollt ihr mal eine Tarantel sehen?“, fragt er, als wir an einem kleinen, unscheinbar wirkenden Loch im Boden vorbeikommen. „Wir können sie später über dem Lagerfeuer braten.“ Wir sind nicht begeistert von der Idee. Das beeindruckt den Guide aber wenig: Er schafft es tatsächlich, die riesige Spinne aus ihrem Nest zu locken, indem er auf den Boden trommelt. Den Rest unserer Wanderung hängt die Spinne an seinem T-Shirt - Angst, gebissen zu werden, hat er keine: „Taranteln sind nicht so giftig, wie man denkt. Ich wurde schon oft gebissen. Wir haben den Biss dann mit Knoblauch eingerieben und alles ist gut gegangen.“ Wir wissen nicht so recht, was wir davon halten sollen. Und beobachten das haarige Tier argwöhnisch.
Unterwegs schnitzt unser Guide Pfeile und Behälter aus Bambus, aus denen wir mittags trinken. Das Essen wird in Bananenblättern transportiert und an einem Teich gegessen. Zur Abkühlung kann man sich ungelogen an einer Liane rein schwingen. Gibt es etwas Besseres?
Wie angekündigt macht der Guide ein Lagerfeuer, in dem wir erst hauseigene Cashew-Nüsse rösten. Die Nüsse, die im Feuer hin- und herploppen und sich irgendwann krachend öffnen, erinnern an Popcorn und schmecken großartig.
Dann aber wirft unser Guide tatsächlich seine haarige Begleiterin ins Feuer. Wir gucken alle etwas schockiert – und machen uns bewusst, dass gebratene Spinne in Kambodscha nun mal eine Delikatesse ist. Unser Guide knabbert mit offensichtlichem Genuss an den Beinchen. Ob das alles jetzt „Tierschutzrichtlinien“ entspricht oder nicht, darüber kann man streiten. Das gilt aber nicht nur für die Spinnenzubereitung, sondern für viele Gerichte weltweit, in denen Tiere verarbeitet werden. In Europa werden lebende Hummer in siedendes Wasser geworfen, hier wird eine Tarantel bei lebendigem Leib geröstet.
Trotz dieser kurzen „Dschungelcamp“-Sequenz ist der Tag im Dschungel – inmitten von kunstvoll gedrehten Lianen und riesigen Bambushölzern – ein einmaliges Erlebnis, das zu jedem Kambodscha-Aufenthalt dazu gehören sollte.
Auch um die Stadt Ban Lung gibt es viele grandiose Naturschauplätze. Den Kratersee Yeak Laom sowie die Wasserfälle, die rund um die Stadt verteilt sind, sollte man sich nicht entgehen lassen. Es werden organisierte Touren angeboten oder man fährt auf eigene Faust mit dem Roller hin.
Ich fahre selbst und bin begeistert vom Ka Tieng Wasserfall: Er liegt mitten im Dschungel, das Wasser springt in tausend Tropfen über die Steine. Als wäre das nicht genug, kann vor dieser Kulisse auch noch baden und hinter den Wasservorhang blicken. Dschungel-Feeling pur.
Leider stoße ich neben Wasserfall auf ein unschönes Bild: Elefanten in Gefangenschaft. Es sieht unsagbar traurig aus, wie die riesigen Dickhäuter an kurzen Eisenketten darauf warten, die nächsten
Touristen durch den Dschungel zu tragen. Auch Elefantenhaken sehe ich in den Händen der Arbeiter.
Bestimmt gibt es auch in Südostasien Zentren, die Elefanten so gut wie möglich versorgen. Unter bestimmten Umständen sind vielleicht auch Tourismus und Elefanten vereinbar. Die Elefanten am
Wasserfall wirken jedoch wie das Negativbeispiel schlechthin. Ähnlich wie die Elefanten um Angkor Wat, die für ein Foto Touristen um die Tempel tragen. Eine gute Nachricht gibt es aber
diesbezüglich: Um Angkor Wat wird Elefantenreiten 2020 verboten.
Von Ban Lung fahre ich erst nach Phnom Penh, von dort aus mit dem Bus zum Küstenort Sihanoukville. Dort legt am Royal Pier das Boot Richtung Lonely Beach auf der Insel Koh Rong ab, dem letzten Punkt dieser Reise.
Die Bungalowanlage liegt auf der Nordseite der Insel, die touristisch – abgesehen davon – noch nicht erschlossen ist. Es gibt aber Pläne chinesischer Investoren, auch die Nordseite komplett zu bebauen.
Die Anlage wird mit Solarenergie versorgt, sodass es nach Einbruch der Dunkelheit keinen Strom gibt. Es gibt kein WLAN, kein fließend Wasser. Zum Duschen und Händewaschen gibt es Kokosnüsse, in die Löcher gebohrt wurden. In diese gießt man mit einem Eimer Wasser – und schon kann man duschen.
Die Anlage liegt mitten im Dschungel, direkt am Strand. Nicht selten kommt es vor, dass die Badezimmertür von einem Frosch blockiert wird, der es sich dort gemütlich gemacht hat. Mein Mitbewohner im Bungalow ist ein bunter Gecko, der nachts über die Holzwände huscht. In den Bäumen am Strand sehe ich gelegentlich Affen, obwohl die so nah am Menschen eigentlich nicht gewünscht sind. Nachts schlafe ich mit dem Geräuschen des Dschungels im Ohr ein. Und der Blick auf den Strand und das Meer ist paradiesisch schön.
Auch die schillernde Unterwasserwelt ist beeindruckend. Stundenlang könnte ich damit verbringen, sie zu beobachten: Bunte Fischschwärme, die zwischen farbenprächtigen Korallen umherziehen.
Riesenmuscheln, die sich erschrocken zurückziehen, sobald man sich nähert. Auch ein paar Schwämme sehe ich, und immer wieder Seegräser, die sich sanft in den Wellen wiegen.
Außerdem wartet das Wasser hier noch mit einem ganz anderen Naturphänomen auf: In mondlosen Nächten leuchtet fluoreszierendes Plankton im dunklen Meerwasser. Wenn das Wasser bewegt wird, beginnt
das Schauspiel. Das Plankton erstrahlt, um Raubtiere zu irritieren.
Es ist unbeschreiblich schön, durch das Wasser zu gleiten und dabei von diesem Leuchten umgeben zu sein. Besonders, wenn im Nachthimmel die Sterne mit dem Plankton um die Wette funkeln.
Kambodscha ist ein Land, das Schönes und Schreckliches vereint. Es überwiegen aber ganz klar die schönen Dinge.