Auf dem Dach Europas: Chamonix-Mont-Blanc

Ein Wochenende am Mont Blanc und dem Mer de Glace

Der schneebedeckte Mont Blanc sorgt für ein Himalaya-Feeling mitten in Europa. Hier oben steht man über den Wolken und blickt auf ein einzigartiges Bergpanorama. Auch im längsten Gletscher der Alpen, dem Mer de Glace, wird man in eine ganz andere Welt voller surrealer Farben und Formen versetzt.

Ruckelnd setzt die Seilbahn sich in Bewegung. Es geht direkt steil bergauf, in Richtung des höchsten Berges Europas. Die Gondel schwankt zwischendurch ein wenig. Ein Raunen geht durch die Kabine, wenn sie sich bewegt. Nach wenigen Minuten ist es so weit: Die Seilbahn kommt auf der ersten Plattform an, auf der direkt alle in die Anschlussbahn umsteigen. Ein bisschen wie Zugfahren – mit einem Höhenunterschied von 2800 Metern.

Die Aiguille du Midi

Wir erreichen die Aiguille du Midi, ein Gipfel mit Blick auf den Mont Blanc. Es windet ein wenig heute – und es ist keine einzige Wolke zu sehen. Das gewaltige, massive Bergpanorama des Dachs von Europa erstreckt sich vor uns und mittendrin thront die schneebedeckte, emblematische Kuppe des Mont Blanc.

Alpendohlen umkreisen die schroffen Bergspitzen und gleiten im Wind. Hin und wieder setzt sich eine auf das Geländer der Aussichtsplattform.
Bergsteiger mit Eispickeln und Steigeisen kraxeln die schneebedeckten Hänge unterhalb der Plattform herauf. Obwohl hier oben heute – 4 Grad herrschen, flattern Schmetterlinge um die schneebedeckten Gipfel. Es ist die volle Dröhnung Alpen. Und es könnte nicht besser sein: Die majestätischen Berge wirken heute, an diesem klaren Tag mit bester Sicht, besonders eindrucksvoll und mächtig.

Nachdem ich den Panoramablick genossen habe und den Gipfel mithilfe des tube, einem 32 m langen Stahltunnel, durchquert habe, fahre ich mit der Bahn wieder runter zur Zwischenstation. Von hier aus geht es zum Gletscher, dem Mer de Glace.

Wanderung zum Gletscher

Die Wanderung geht die meiste Zeit bergab über Stock und Stein. Ein sommerlicher Gebirgsbach sprudelt auf dem Weg von den Bergen herab. Rechts und links neben Bergwiesen mit bunten Blüten und verschiedenen Schmetterlingsarten ragen die schneebedeckten Alpen in den Himmel.

Und dann ist er in Sichtweite: Der größte Gletscher der Mont-Blanc-Gruppe mit seinen charakteristischen Jahresringen“. Heute ist die Grotte de glace, die Eishöhle, bereits geschlossen. Aber morgen, morgen werde ich das Innere des Gletschers betreten.

Im Hostel kommen überraschend noch drei Mädchen ins Zimmer. Ich erinnere mich, wie ich im Oktober ein 10-Bett-Zimmer in Luxemburg ganz für mich hatte. Nun wirkt es tatsächlich langsam so, als würde nach und nach die Normalität zurückkehren.

Am nächsten Morgen mache ich mich auf zum Bahnhof, um mit dem Train de Montenvers Richtung Gletscher zu fahren. Zahlreiche Paraglider fliegen über dem kleinen Örtchen Chamonix. Der Mont Blanc strahlt heute wieder richtig – wie eine Kugel Eis überragt er diesen warmen Sommertag.

Glacier de Taconnaz
Glacier de Taconnaz

Die kleine rote Zahnradbahn fährt gegenüber vom „richtigen“ Bahnhof ab. Quietschend ruckeln wir durch den schattigen Wald, mit Blick auf rauschende Wasserfälle, bis wir schließlich oberhalb vom Städtchen ankommen. Gegenüber von der Zugstation liegen die „Drus“, zwei besonders markante Gipfel. In einem von ihnen ist bei genauerer Betrachtung ein Gesicht zu sehen. Das Geröll, der spitze Gipfel , der schroffe Granit und die hellen Wasserfälle machen das Bild besonders stimmig.

Les Drus
Les Drus

Im Inneren der Eishöhle

Eine Seilbahn fährt bis zu einer Treppe, die direkt bis zur Gletscherhöhle führt. Es geht vorbei an Markierungen, die anzeigen, wo der Gletscher in welchem Jahr war. Das zu sehen, ist mehr als ein wenig beängstigend. Seit den Achtziger Jahren ist der Gletscher rasant geschmolzen. Er zieht sich immer mehr zurück und verliert im Jahr circa vier bis sechs Meter an Höhe. Forscher sind der Ansicht, er könnte in rund 50 Jahren verschwunden sein.

Noch kann man eine Eishöhle im Gletscher ausbauen. Jedes Jahr wird sie mit Skulpturen und Formen geschmückt. Im Inneren des Eises zu stehen, ist eine völlig andere Welt. Hier existieren Farben, die nirgendwo sonst entstehen können. Das gefrorene Eis filtert alle Farben bis auf Blau, das dann je nach Lufteinschluss im Eis in den unterschiedlichsten Tönen schimmert. Im Inneren der Eishöhe fühle ich mich ein wenig wie in Island bei 33 Grad in Südfrankreich. In Island sind rund 400 Gletscher von der Erderwärmung bedroht. 2019  ist bereits der Ökjökull-Gletscher verschwunden, weitere werden folgen.

Chamonix bringt mich zum Nachdenken. Die Berge hier wirken auf den ersten Blick so mächtig und unbezwungen – und doch sind überall die menschlichen Eingriffe drastisch zu spüren. Ein Besuch hier ist schrecklich schön und schrecklich traurig zugleich. 

Bildergalerie: Im Inneren des Gletschers

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Info

Chamonix erreicht man per Zug, Bus oder mit dem Auto über die A40. Praktisch ist der Mont Blanc Multipass, mit dem man Zugang zu den meisten Seilbahnen (außer für die zum Pointe Helbronner in Italien) und zum Train de Montenvers hat.

Die Wanderung von der Zwischenstation Plan de l'Aiguille zum Mer de Glace dauert circa drei Stunden.